Ist Social TV das neue Fernsehen? Und somit Hochformat das neue Querformat?

Früher wurde jedes Wohnzimmer rund um den Fernseher eingerichtet. Gemeinsames "Wetten dass..?" schauen am Samstagabend war ein fixer Bestandteil des Wochenendprogramms. Aber "klassisches Fernsehen" war gestern.

 

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Wenn überhaupt noch vorhanden, werden Fernsehgeräte immer weniger zum tatsächlichen "Fernsehen" benutzt. Viele verwenden sie hauptschlich zum Übertragen von Streaming Plattformen, wie Netflix oder Amazon Prime.

Während unsere Lieblingsserie im Großformat auf dem TV läuft, bleibt das Smartphone oder Tablet dabei keineswegs links liegen. Dieses Phänomen wird als "Second Screen" beschrieben und meint die gleichzeitige Nutzung von einem TV mit einem mobilen Endgerät, wie z.B. dem Smartphone. Verschiedene Fernsehsender haben sich bereits an diese Entwicklung angepasst und eigene Apps dazu entwickelt. So kann man zum Beispiel beim sonntäglichen Tatort schauen (ARD) via App live mit der Kripo mitermitteln. Ziel ist es demnach, bereits vor Ende der Episode herauszufinden, wer der Täter ist. 

Nun stellt sich aber ebenso die Frage, ob das Smartphone nicht schon längst zum "First Screen" geworden ist? Werden wir in Zukunft generell auf das traditionelle Fernsehen verzichten und nur mehr über das Smartphone "in die Ferne sehen"? Die sozialen Medien haben diese Entwicklung bereits aufgegriffen und eigene "Fernseh-Plattformen" entwickelt.

  

Facebook Watch

Facebook Watch ist der Video-on-Demand Dienst von Facebook. Seit September 2018 gibt es diesen Videodienst auch in Europa. Dafür muss keine extra App heruntergeladen werden. Der Zugriff erfolgt über die Seitenleiste, unter dem Tab "Watch" oder "Videos on Watch".

Angezeigt werden neue und empfohlene Videos, angepasst an die abonnierten Channels des Users. Außerdem können diverse Shows sowohl live, als auch aufgezeichnet angesehen werden. Typische Formate sind zum Beispiel Sport-Clips, Vlogs, Dokus, Koch- und Comedy Shows. Die Videos sind meist sehr kurz gehalten, da sie hauptsächlich übers Smartphone aufgerufen werden.

Eine Interessante Weiterentwicklung ist die "Watch Party" von Facebook Watch. Hier können die User gemeinsam Videoclips schauen und gleichzeitig mit Bewertungen und Kommentaren interagieren. Ein selbstbestimmter Moderator legt fest, was angesehen wird.

Mittlerweile gibt es auch eigens für Facebook Watch produzierte Shows, wie z.B. "Will Smith’s Bucket List", "Queen America" (mit Catherine Zeta-Jones), oder "SKAM Austin".

Das Video-Angebot ist generell breit gefächert: von fiktionalen Serien über Gameshows, welche die Zuschauer live interagieren lassen, bis zu ganz normalen Facebook-Katzenvideos.

 

IGTV

Mit dem Release von IGTV (kurz für InstaGramTV), setzt Instagram ausschließlich auf Videos im Hochformat. Angelehnt an die Stories, sollen die Clips aber qualitativ hochwertiger produziert werden.

Abgesehen davon hat sich IGTV aber am klassischen "Fernsehen" orientiert. Sobald man auf Instagram das kleine TV-Symbol antippt oder auf die separate IGTV-App zugreift, schaltet sich sozusagen der Fernseher ein und die App startet sofort mit dem ersten Video. Die "Fernsehkanäle" sind die Channels der Videomacher, zwischen denen man herumzappen und natürlich wie gewohnt interagieren kann.

Der Start mit IGTV war etwas holprig, die User bevorzugten es sich die gewohnten Stories anzusehen. Seit kurzem ist es aber möglich kurze Previews im Feed zu posten, was die Reichweite der IGTV-Videos rasant in die Höhe trieb.

Aber was ist nun der Unterschied zu den Stories?

Fotos mit reichlicher Beschriftung zu posten, ist auf IGTV nicht möglich, denn hier werden ausschließlich Videos unterstützt. Außerdem können und sollen die Videos länger sein. Es können Clips mit bis zu 60 Minuten hochgeladen werden, welche dauerhaft angesehen werden können.

 

Snapchat

Auch Snapchat hat sich an den Online-TV-Trend angepasst. Unter "Shows" im "Entdecken"-Bereich der Snapchat-App kann man ebenfalls eigens hergestellte Videos ansehen. Die Videos sind meist zwischen 3-7 Minuten lang und im Vergleich zu üblichen TV-Shows viel schneller geschnitten.

Aber ist die Welt überhaupt schon bereit für Videos im Hochformat?

Es gab Zeiten, da kam ein Video im Hochformat, links und rechts mit schwarzen Balken umrandet, eindeutig aus Amateurhänden – diese Zeiten haben sich geändert. Mit dem Swipen und Tappen haben sich auch unsere Sehgewohnheiten geändert. Videos im Hochformat sind bei einigen Marken bereits fixer Bestandteil der Marketing Strategie. Mehr und mehr Menschen konsumieren ihren Content via Smartphone - Content-to-go sozusagen. Hier eignen sich hochformatige Videos besonders gut, da sie das ganze Smartphone füllen und unterwegs einhändig angesehen werden können.

Viele Plattformen haben sich optisch bereits an diesen Trend angepasst, wie zum Beispiel die Netflix App. Startet man die Streaming Plattform am Smartphone ähnelt die App sehr stark einem Instagram Feed. Auch Previews werden hier bereits im Hochformat abgespielt. Diese Entwicklung hat seinen Ursprung in Asien. Hier wird Netflix sehr häufig am Handy konsumiert.

 

Video Producer

Videomacher müssen sich zukünftig an die neuen Sehgewohnheiten anpassen. Die Augenbewegungen der Zuseher ändern sich von ursprünglich "von links nach rechts", auf "von oben nach unten". Viele Producer weigern sich allerdings, bei diesem Trend mitzumachen. Hochformatige Videos galten seit jeher als ein absolutes No-Go. Außerdem ist es eine Herausforderung so viel Content wie möglich in eine vertikale Passform zu bekommen.

Die nächste Schwierigkeit besteht darin, dass das vertikale Format noch nicht auf allen Plattformen akzeptiert wird (erst seit kurzem ist dies auch auf Youtube möglich). Somit wäre es ratsam, Videos sowohl im Quer- als auch im Hochformat zu produzieren um alle Möglichkeiten abzudecken.

 

User Experience

Videos im Hochformat haben eine um 90% höhere Completion Rate als Videos im Querformat. Die vertikale Sichtweise kreiert beim Zuseher nämlich ein Gefühl von Intimität. Sie lassen die User zu der Person hinter der Handykamera werden. Um diese authentische „Experience“ zu erzeugen, eignen sich demnach besonders gut „Day in the life“- oder Behind-the-Scenes-Clips.

Auch die Interaktionen sind im Hochformat um einiges höher. Der Grund dafür könnte an der Bequemlichkeit der User liegen. Der User ist es gewohnt das Smartphone im Hochformat zu nützen, denn so sind alle Anwendungen konzipiert. Somit ist die Hürde das Handy extra für ein Video zu drehen, um einiges höher.

 

Übersicht der Seitenverhältnisse für Foto und Video

Um den Überblick über die einzelnen Plattformen und deren unterstützen Seitenverhältnisse zu bewahren, hier eine kleine Übersicht:

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Fazit

Jede Veränderung hinsichtlich der Sehgewohnheiten bedarf einer gewissen Angewöhnungsphase. So war es damals als der erste Film über die Kinoleinwand lief, oder man zum ersten Mal mit 3D-Brillen im Kino saß. Und jedes Mal war es für die Zuseher zuerst befremdlich. Videos im Hochformat sind die logische Antwort auf die moderne Sehweise – der Blick durch ein Smartphone.

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